Kategorie: Essstörung

Was ist eine Essstörung?

Der Begriff Essstörung bezeichnet psychische Erkrankungen, die mit einer psychopathologisch auffälligen Veränderung im Essverhalten einhergehen. Dazu gehören auch die gedankliche Beschäftigung mit Essen und die Körperwahrnehmung der Betroffenen. Essstörungen sind dabei oft verbunden mit physiologischen Auffälligkeiten, wie Untergewicht, Übergewicht, Mangelernährung und damit verbundenen körperlichen Funktionsstörungen.

Die Grenze zwischen Essverhalten, das in unserer Gesellschaft als normal angesehen wird, und klinisch relevanten Auffälligkeiten ist schmal. Das ist vor Allem bei Jugendlichen und jungen Frauen der Fall. So sind Diäthalten, Beschäftigung mit dem eigenen Gewicht und Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper gesellschaftlich aktzeptiert. Ein ausgeprägtes, klinisches Syndrom stellt ein solches Verhalten natürlich nicht zwingenderweise dar. Im Folgenden wird deshalb erläutert, welche Störungsbilder in der Psychologie aktuell besprochen werden.

Welche Arten von Essstörungen gibt es?

Das Klassifikationssystem, das in Deutschland zur Diagnosestellung genutzt wird, das ICD-10, unterscheidet in verschiedene Formen von Essstörung. Die Anorexia nervosa, die Bulimia nervosa und die „nicht näher bezeichneten Essstörungen“ sind die Hauptdiagnosen. In die letzte Kategorie lassen sich verschiedene Auffälligkeiten im Essverhalten einstufen, zum Beispiel die so genannte „Binge-Eating-Störung“, für die es bisher keine eigene Diagnose gibt. „Nicht näher bezeichnete Essstörungen“ können aber auch Symptomkonstellationen sein, die die Diagnose einer Essstörung nicht vollständig erfüllen, aber dennoch belastend für die betroffenen Personen sind. Sowohl Essanfälle als auch Erbrechen können jedoch auch im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen auftreten. Übergewicht ist keine eigene psychologische Diagnose.

Was ist Anorexia nervosa?

Die Anorexia nervosa ist vor Allem dadurch gekennzeichnet, dass sie auf das Herbeiführen oder Halten eines starken Untergewichts ausgerichtet ist. Das bedeutet, dass das angestrebte Gewicht für Alter und Körpergröße unangemessen ist. Bei erwachsenen Personen handelt es sich oft um eine Gewichtsreduktion, bei Kindern und Jugendlichen eher um ein Ausbleiben der zu erwartenden Gewichtszunahme. Häufig ist die Anorexie bei Mädchen und jungen Frauen zu finden, immer mehr tritt sie aber auch bei Jungen und Männern, Kindern vor der Pubertät, oder Frauen in der Menopause auf. Zentral bei dieser Erkrankung ist auch die Überzeugung der Betroffenen, sie seien zu dick, obwohl dies objektiv nicht der Fall ist, und eine ausgeprägte Angst vor Gewichtszunahme. Dabei ist die Wahrnehmung der eigenen Figur oft gestört, zudem ist das Körpergewicht zentral für die Selbstbewertung und das eigene, oft starke, Untergewicht wird geleugnet.

Zu welchen körperlichen Folgen kann es kommen?

Die Erkrankung kann zu Unterernährung führen, die in weitere körperliche Funktionsstörungen und endokrine sowie metabolische Veränderungen übergehen kann. Deshalb ist die Mortalitätsrate bei dieser Erkrankung auch verhältnismäßig hoch, je nach Schätzungen liegt sie bei 1,2 bis 12,8 %. Bei Frauen bleibt zudem häufig die Blutung aus.

Verschiedene Arten der Anorexia nervosa

Außerdem kann in zwei Arten der Anorexie unterschieden werden. Der „Restriktive Typ“ ist dadurch gekennzeichnet, dass die betroffene Person ihr Essverhalten insgesamt zügelt, es also nicht zu Essanfällen oder kompensatorischem Verhalten kommt. Der „Aktive Typ“ dagegen leidet gelegentlich auch unter Essanfällen, und zeigt entsprechend kompensatorische Maßnahmen, wie wir sie von der Bulimia nervosa kennen.

Was ist Bulimia nervosa?

Die Bulimia nervosa ist vor Allem dadurch zu erkennen, dass es im Rahmen der Erkrankung immer wieder zu Heißhunger und Essanfällen kommt. Dabei beschäftigen sich betroffene Personen in übertriebenem Maße mit ihrem eigenen Körpergewicht und versuchen dieses zu kontrollieren. Um das Gewicht trotz der Essanfälle halten zu können werden kompensatorische Maßnahmen eingeleitet. Hierunter können zwei verschiedene Arten von Verhaltensweisen fallen. Von „Purging“ spricht man dann, wenn die erkrankte Person zur Gewichtsreduktion regelmäßig erbricht oder abführende Medikamente verwendet. Ein „Nicht-Purging“-Typus liegt vor, wenn Maßnahmen wie Fasten oder übermäßige körperliche Betätigung ergriffen werden.

Was unterscheidet die Bulimia nervosa von der Anorexia nervosa?

Bei bulimischen Patient*innen ist es für das Umfeld schwierig die Krankheit rechtzeitig zu erkennen, da keine großartigen Gewichtsveränderungen vorliegen. Gerade beim „Purging“-Typus kann es aber zu Elektrolytstörungen und körperlichen Komplikationen kommen.

Während diese Erkrankung auf vielen Ebenen der Anorexia nervosa ähnelt, ist als Diagnosekriterium explizit genannt, dass das bulimische Verhalten nicht nur im Rahmen einer Anorexie auftreten darf. Tatsächlich ist es häufig so, dass sich aus einer früheren anorektischen Episode erst eine Bulimia nervosa entwickelt hat. Der markanteste Unterschied zwischen der Anorexia nervosa und der Bulimia nervosa ist dabei, dass die Anorexie mit starkem Gewichtsverlust einhergeht, die Bulimie jedoch nicht.

Was ist eine Binge-Eating-Störung?

Im ICD-10 gibt es bisher die Diagnose Binge-Eating-Störung (BES) noch nicht. Wie oben erwähnt kann sie jedoch unter der Diagnose „nicht näher bezeichnete Essstörungen“ abgerechnet werden. Bisher liegen hierzu nur Forschungskriterien vor. Was genau ist also unter diesem Krankheitsbild zu verstehen?

BES ist dadurch gekennzeichnet, dass es bei den betroffenen Personen wiederholt zu Essanfällen kommt. Diese Essanfälle sind mit verschiedenen Symptomen verbunden, die nicht alle erfüllt werden müssen, damit von BES die Rede sein kann. Diese Symptome sind beispielsweise, dass wesentlich schneller; große Mengen ohne Hungergefühl oder über ein Völlegefühl hinaus gegessen wird. Es kann aber auch sein, dass Betroffene vermeiden mit anderen Personen zusammen zu essen, aus einem Schamgefühl heraus, oder die Essanfälle generell mit Schuld- und/oder Ekelgefühlen einhergehen. Die aktuellen Forschungskriterien beinhalten außerdem, dass über ein halbes Jahr hinweg mindestens zwei Mal die Woche solche Essanfälle auftreten müssen, und dass die betroffene Person unter den Symptomen leidet. Im Gegensatz zur Bulimia nervosa gehen die Essanfälle nicht mit kompensatorischem Verhalten einher, weshalb es zu Gewichtszunahmen kommt.

Ab wann sprechen wir von einem Essanfall?

Von einem Essanfall wird erst dann gesprochen, wenn die konsumierte Nahrungsmenge in einem bestimmten Zeitraum klar als größer zu beschreiben ist, als die meisten Personen in einem ähnlichen Zeitraum unter ähnlichen Umständen essen würden. Das bedeutet also, dass an Weihnachten bei der Großmutter einen dritten Nachschlag zu nehmen nicht als klinisch relevanter Essanfall zu werten ist, da besondere Umstände gegeben sind, unter denen die meisten Personen mehr essen als sonst. Einher mit einem solchen Essanfall geht ein Gefühl von Kontrollverlust, das bedeutet, dass Betroffene das Gefühl haben, nicht einfach aufhören zu können, oder nicht kontrollieren zu können, was und wie viel sie essen.

Was kann ich tun, wenn ich vermute, dass ich eine Essstörung habe?

Wenn Unsicherheit darüber besteht, ob das eigene Essverhalten pathologisch ist, oder wenn ein hoher Leidensdruck besteht, ist zu empfehlen sich professionelle Hilfe zu organisieren. Psychotherapeut*innen sind dazu ausgebildet Diagnosen zu stellen, und können im Zweifelsfall die Beruhigung liefern, dass keine klinisch relevante Essstörung vorliegt. Sollte dies doch der Fall sein, so können sie entsprechende Hilfe anbieten. Eine Vielzahl von Therapieansätzen, die sowohl ambulante als auch stationäre Behandlung vorsehen können, bietet die beste Möglichkeit eine Essstörung in den Griff zu bekommen.

-Gastbeitrag von Inga Adams

 

Quellen:

Wittchen, H.-U. & Hoyer, J. (Hrsg.). (2011). Klinische Psychologie & Psychotherapie (2. Aufl.). Heidelberg: Springer.

ICD-10-GM Version 2019, Systematisches Verzeichnis, Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme, 10. Revision, Stand: Juni 2020

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